Donnerstag, 20. September 2012

Rio de Janeiro und die Favelas

Nach einem kurzem Stop in Chile und knapp einer Woche in Argentinien bin ich in Brasilien gelandet. Genauer gesagt vor der Haustür des wohl berühmtesten Strandes der Welt, Copacabana.

Vor meiner Anreise hatte ich für fünf Tage Rio lediglich "dolce far niente" (das süsse Nichtstun) vorgesehen. Wie es schien, hatte Rio allerdings etwas ganz anderes mit mir vor. Nach einer City-Tour mit Besichtigung der 38 Meter hohen Christusfigur auf dem Gipfel des Corcovado, der berühmte 395 Meter hohe Zuckerhut (Granitfelsen), einem pulsierenden Fussballmatch nach brasilianischer Art (sehr temperamentvoll, da können wir nicht mithalten), diversen Markbesuchen (gar nicht gut fürs Budget und noch weniger gut fürs Gepäck!), einem halben Tag Sonnenbaden am Sandstrand von Copacabana und etliche Caipirinhas später (brasilianisches Nationalgetränk) habe ich einen Abstecher in die berüchtigten Armenviertel Rios, die sogenannten *Favelas gewagt.
Natürlich war diese Besichtigung geführt, ansonsten hätten mich keine zehn Alpacaherden in dieses Viertel gebracht!
Die Führung startete mit einer Motorradfahrt hinauf in die grösste Favela Südamerikas, Rocinha. Natürlich war ich erneut das erste "Opfer" und bestieg mutig ein etwas älteres Fahrmodell, dafür mit einem breit grinsenden Brasilianer am Steuer. Diese Fahrt ist kaum zu beschreiben, aber ich versuche es dennoch.
Man stelle sich eine Gringa (ich) mit im Fahrtwind wellenartig flatternden Haaren und einem muskelbepackten, tätowiertem und braungebrannten Brasilianer vor, die versuchten unbeschadet an bunten nicht fertiggestellten Ziegelbauwerken, an überfüllten "Bars und Restaurants", an Coiffeur & Beauty Salons und diversen Marktunterständen (mit Gegenständen von der Frucht bis zur Toilettenbürste) entlangzuschlängeln, wobei meine grösste Sorge war meine bisher unversehrten Beine nicht an den beiden weissen Lastwagen welche uns kreuzten anzuschlagen. Am Gipfel angelangt wartete ich unendliche Stunden (so kam es mir zumindest vor) auf die restlichen verrückten Interessenten der Gruppe. Während meiner Wartezeit versuchte ich nicht auf all die Männer Mitte 40ig in der nächst gelegenen Bar zu achten, die mir teils interessierte teils abschätzige Blicke zuwarfen, weder noch auf die beiden uniformierten Polizisten die soeben in ein Haus eingebrochen waren. Später erfuhr ich dann, dass in der Nacht zuvor ein Polizist in dieser Gegend erschossen wurde. Meine Güte, wo bin ich da nur gelandet! Nun gut, unsere Tour hatte erst gerade begonnen, nicht jetzt schon den Bickel hinschmeissen (konnte ich eh nicht!).
Zu Fuss machten wir unseren Weg durch die lebenden und schmalen Hintergassen der Favela. Ich weiss nicht was schlimmer war, der Geruch, der sichtbare Dreck und Abfall, die unvollständigen Bauten mit Einschusslöchern und von all diesen Elektrodrähten umgeben oder nur die Vorstellung in dieser Gegend Kinder aufwachsen zu sehen. Womöglich ein Mix aus allem. Ich kann mir nicht vorstellen wie ein Mensch unter solch erbärmlichen Umständen leben kann, aber wer einen Lohn von 700 Reals im Monat verdient und eine durchschnittliche Miete 600 Reals kostet, hat keine andere Möglichkeit als seinen Platz in einer der Favelas zu finden.

In solchen Situationen wie diesen denke ich immer am unsere herrliche Schweiz zurück und bin unendlich dankbar dort geboren worden zu sein!
Danke Mami!


*Die Bezeichnung für die Armenviertel kommt von einer brasilianischen Kletterpflanze, welche den Namen Favela trägt. Ähnlich wie die Kletterpflanze siedeln sich die Armenviertel in Rio an den Bergen an und "klettern diese hoch" - daher der Name.

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Hoi Livia :)

Mer sind immer flissig dini Reisebricht am lesa und d´Fotene am ahluege.. Gseht echt traumhaft us!! Mer hoffend es goht der guet - gnüss no di restlich zit und bis bald!!

Liabi Grüass
Daniel und Marion